GESPRÄCH MIT DEM GEIST EINES ORTES

ÜBER LIEBEVOLLE ABSICHT

 

 

Draußen vor dem Gartenlokal saß ich

zwischen Sträuchern und hohen, alten Bäumen

gleich neben dem Teich,

in den ein kleiner Wasserfall

über felsige Stufen fiel.

Libellen flogen ruckartig über das Wasser,

blieben manchmal darüber stehen im Flug,

mit ihren Flügeln rotierend wie Propeller,

während kleine rote Fische

in den Wellen schwammen

und das Rauschen und Plätschern des Wassers

die menschlichen Stimmen rundum

übertönte.

 

Dies ist ein sehr alter Platz,

erklärte das Bewusstsein des Ortes.

Nicht immer waren so viele Besucher da.

Sehr ruhig war es, als die hohen alten Tannen

noch hier wuchsen.

Wir betrachten es als ein seltenes Glück, heute

mit so vielen verschiedenen Pflanzen und Tieren

friedlich zusammenleben zu dürfen.

Menschen haben hier versucht,

einen kleinen Naturpark zu erschaffen,

zur Freude der Erschaffenden und der Besucher.

Wir sind glücklich damit, denn vieles

darf wachsen, wie es will.

Die Menschen greifen nicht allzu sehr ein.

 

Habt ihr ein Geheimnis, wie ihr so friedlich

miteinander lebt? fragte ich.

Was vielleicht auch für uns Menschen

machbar wäre?

 

Wir verbinden unsere Energien miteinander.

Wir schaffen einen Energieraum,

zu dem alle gehören,

zu dem sich alle zugehörig fühlen,

den sie als ihre Heimat betrachten,

der sie vereint.

Außer, dass jeder seine eigene Energie,

seine Aura besitzt,

haben wir eine gemeinsame erschaffen,

die aus unseren individuellen Energien besteht,

ihre Form aber entsprechend dem Ganzen

verändert hat,

mit der nun jeder von uns in Berührung ist

und die jeder empfängt.

Niemand von uns steht losgelöst und unberührt,

weder Pflanze noch Tier,

sondern jedes fühlt sich in unserer

gemeinsam erschaffenen Energieform

geborgen.

                                  

 

Dies ist durch liebevolle Absicht geschehen,

denn diese erschafft eine positive Energie,

die alle umfängt.

Die liebevolle Absicht,

zusammengehören zu wollen,

ein Körper, ein Bewusstsein zu sein,

im gleichzeitigen Respekt vor den

Verschiedenheiten der einzelnen Bewusstseine,

verbindet uns.

 

Warum schaffen wir Menschen das so schlecht?

fragte ich.

 

Euch ist die Abgrenzung wichtiger als der Wille,

trotz aller Verschiedenheiten

ein Ganzes zu sein.

Ihr habt zuviel Angst,

verloren zu gehen in der Einheit,

und seid deshalb so sehr darauf bedacht,

um euch herum Grenzen zu ziehen,

sogar feste Mauern,

um eure Persönlichkeit zu bewahren

und zu schützen.

Eure Individualität erscheint euch als

großes wertvolles Gut,

weil ihr sie erst vor nicht allzu langer Zeit

entdeckt habt, - geschichtlich gesehen -,

weil sie noch schwach ist,

weil sie euch so wechselhaft und

störbar erscheint,

weil sie schon von einem Lebensalter

zum nächsten

sich ständig zu ändern scheint.

Ihr habt Angst, sie zu verlieren.

Ihr habt Angst, verloren zu gehen

in einem riesigen Nebel

und nicht mehr herauszufinden

zur Klarheit.

Ihr habt Angst, überrollt, überflutet zu werden

von den Energien der anderen,

dass eure individuellen Gedanken und

Erfahrungen nichts mehr bedeuteten,

dass ihr keine Macht mehr

über euer eigenes Leben hättet.

                                                  

                                                     

Was aber doch auch geschehen könnte!

 

Ja, so wie ihr es betrachtet.

Ihr vergesst aber, dass eine „liebevolle Absicht“

durchaus etwas individuell Gewolltes ist,

in dem ihr euch erkennen,

mit dem ihr euch identifizieren könntet,

ohne in einem diffusen Ganzen unterzugehen.

 

Wenn jeder den Gedanken der liebevollen Absicht,

ein Miteinander voller Respekt

mit anderen zu haben,

ausschickte,

wäret ihr einzeln im Ganzen,

könntet ihr eure Individualitäten zusammenweben

zu einem schönen, wirkungsvollen Ganzen,

ohne eure Einzigartigkeit zu verlieren, -

so wie wir.

Denn du siehst jeden einzelnen Baum,

jeden Strauch, jeden Stein,

jede Libelle, jeden Vogel

sein eigenes Leben führen

mit seinem ihm eigenen Ausdruck.

 

Was uns trotzdem verbindet, ist die Erinnerung

an unsere liebevolle Absicht, verbunden zu sein,

und das Bewusstsein,

ein harmonisches Ganzes zu bilden,

das für jeden einzelnen von uns gut ist -

sogar für die Menschen,

die hierher kommen und sich wohl fühlen.

 

Ja, ich habe hier das Gefühl

von einem Energieraum,

in dessen Mitte ich mich wohl fühle.

Ich sehe eure gemeinsame Aura

als Energieströme zwischen euch,

und zugleich

als Energiewolke, die euch alle umfängt.

 

 

                                           © Ursula Sewing

 

 

 

Installation "Die Lichtbrücke" von Ursula Sewing und Peter Bolle in Bochum-Stiepel