LODUR

 

 

In der Ferne sah ich Lodur, den so genannten Feuergott,

in einem riesigen Feuerkranz in Rot und Gelbgold

langsam auf mich zu kommen.

Er erklärte, wie er sich selber sieht: als große Kraft,

als Geist des Feuers, Geist der Flammen und der Glut,

als der, der das Feuer beherrscht,

es hütet, entfacht oder bezwingt.

 

Ich bin in jedem Feuer, in der Feuersbrunst,

im Hitzesturm,

in den Tiefen des Vulkans, so sagte er,

genauso wie im Ofenfeuer, das die Menschen wärmt

und zusammenbringt, oder in der Flamme einer Kerze.

Meine Eigenschaften sind die Kraft des Lichtes,

der Wärme und Hitze,

der Zerstörung ebenso wie des Miteinanderverbindens

durch Schönheit und Behaglichkeit,

die Stetigkeit der Glut, das Behütende der Wärme

eines kontrollierten Feuers.

 

Ihr habt Angst vor der einen Seite meiner Kraft.

Obwohl ihr selbst es seid, die diese Kraft missbrauchen,

obwohl ihr selbst es seid, die die Kraft

durch eure Gedanken

in unkontrollierbare Größenordnungen hineinmanövrieren.

Als Feuergeist beherrsche ich diese Kraft,

ich kann das Feuer schöpferisch nutzen,

indem ich Feuerbilder erschaffe,

die euch Eindrücke von Größe, Schönheit,

Macht des Universums, Gewalt der Natur,

Unkontrollierbarkeit des Lebens bescheren.

So biete ich euch größte Schönheit und Geborgenheit

und gleichzeitig größte Gefahr in einem.

 

Ihr habt gelernt, das Feuer zu euren Zwecken

zu nutzen, ohne dass es zerstört.

Das ist gut so.

Aber ihr werdet es nie ganz kontrollieren können,

und deshalb bleibt immer ein Stück Gefährdetsein,

Vorsicht, Respekt, Verwundbarkeit

durch die Macht des Feuers, also der Natur,

bestehen.

Ich kann das Feuer beherrschen

und nutzbringend anwenden.

Ich kann jedes Feuer auf mich ziehen, in mir zentrieren

und zum absoluten Stillstand bringen.

Und so kann ich euer Beschützer vor dem Feuer sein.

 

Symbolisch bin ich auch das Feuer in euch,

den Menschen:

das Entflammtsein, die Begeisterung,

die Kraft der Leidenschaft,

die Inbrunst, mit der ihr etwas tut,

die Sehnsucht danach, zu brennen

und zu verbrennen

im übertragenen Sinn,

das Lodern der Gefühle,

das Feuer, das über dem Alltäglichen liegt,

das zum Himmel steigt und

phantastische Bilder erzeugt,

dort und in den Herzen,

das Aufleuchten der Gedanken,

das Sprühen der Funken des Geistes,

der Blitz, der zum Gewitter gehört, das reinigt,

das Feuer, das Altes verbrennt, damit Neues,

Fruchtbares entstehen kann,

und schließlich das Feuer, das Phönix gebiert

aus der Asche.

 

So wie ihr die Angst kennt vor dem realen Feuer,

die Angst vor Verbrennung, Schmerzen, Zerstörtwerden,

gibt es auch innerlich die Angst vor dem Feuer, -

die Angst zu verbrennen durch starke Gefühle,

ob sie in Richtung Liebe tendieren

oder in Richtung Hass.

Der Hass verbrennt euch tatsächlich,

indem er euch zerstört, innerlich verbrennt.

Die Liebe wird in ihrer stärksten Form gefürchtet,

weil ihr das Gefühl habt, zerstört zu werden,

wenn das Objekt der Liebe geht.

Aber das "Brennen" gehört zum Leben,

es macht euch erst wirklich lebendig,

es brennt alles Alte weg, was ihr nicht mehr benötigt,

und es aktiviert alle lebendigen Möglichkeiten in euch,

es macht euch das Leben bewusst.

So geht ihm nicht aus dem Weg, -

dem Brennen, dem Feuer in euch.

 

Meidet das Feuer, das euch zerstört,

aber sucht das Feuer, das euch entflammt,

lebendig sein lässt, euch in eurer Entwicklung weiterführt,

und fürchtet es nicht.

Es hilft euch, euch zu wandeln, immer wieder,

euch weiterzuentwickeln zu eurer wahren Größe.

 

In diesem Sinne: Lebt euer Feuer!

Seid Hüter des Feuers, Hüter der Flamme in euch.

 

 

                                                       © Ursula Sewing

 

 

"Lodur": Skulptur von Peter Bolle im Hohlweg von Darup