GESPRÄCHE ZUR NACHT II

 

 

Wo bist du? fragte ich seine Seele.

Bist du in deinem Körper?

Manchmal ein bisschen darüber, manchmal weit weg.

Dann wieder falle ich schwer in meinen Körper zurück.

Dunkel ist es hier. Schattenhaft.

Weit entfernt sind die Lichter.

Ich bin wie in einem dunklen Tunnel,

wo man die nächste Bahnstation noch nicht sieht.

Ich lasse mich treiben und warte auf irgendetwas,

was noch nicht da ist.

 

Und wieder erklärte der Engel des Todes:

 

Meine Anwesenheit macht es ihm nicht leicht.

Doch sind meine Fragen eine Notwendigkeit,

damit er das Gefühl haben kann,

sein Leben erfüllt zu haben.

 

Viele Erinnerungen schweben heran,

berühren ihn, gehen wieder.

Erinnerungen an Sehnsucht nach Liebe,

und daran, Liebe nicht

oder nicht genügend

ausgedrückt zu haben gegenüber all den Menschen,

denen er hätte Liebe geben wollen,

und doch hatte er es nicht vermocht.

Und das lässt ihn fast verzweifeln.

 

Irgendwann während der Gedankenschleier,

die ihn aus der Ferne berühren,

wird dieser ganz besondere Punkt kommen,

wo ihm das Gefühl von vorurteilsloser,

nicht wertender Liebe

tief in seinem Innern bewusst wird,

und er wird gehen.

Voller Zufriedenheit, voller Erleichterung,

voller Liebe.

Und er wird wissen, dass er nun

seine Lebensaufgabe erfüllt hat.

 

                                                 © Ursula Sewing

 

 

Fortsetzung in: Gespräche zur Nacht III