AUS DEM LEBEN DES SCHAFES SKIPPY

 

 

Auf Andreas Hof gab es zwei Schafe, Skippy und Gitano.

Skippy war das kleinere, das weibliche Schaf.

Es war mir vorher gar nicht richtig aufgefallen.

Es lag auf dem Boden, sah kaum hoch, bewegte sich kaum.

 

Neben ihm lag das größere, männliche Schaf, Gitano.

Es guckte mich intensiver, irgendwie aufgeweckter an,

doch mit ihm wollte ich jetzt nicht sprechen.

Es fiel mir nicht leicht, mich von Gitano ab- und

Skippy zuzuwenden.

 

Skippy, begann ich, darf ich einmal mit dir reden?

Ja gut, wenn du das wirklich willst, antwortete das Schaf zweifelnd.

 

Wie fühlst du dich hier in diesem Stall? begann ich das Interview.

 

Schon in Ordnung.

Auch sicher.

Aber nicht wirklich wahrgenommen.

Gitano ist sehr beherrschend, weißt du,

auch über meine Gedanken.

 

Skippy, wie war das für dich, wenn du früher

mit dem Schäfer und seiner Schafherde unterwegs warst?

wollte ich wissen.

 

Oh, da will ich gar nicht dran denken, antwortete sie.

Viel zu viele Schafe. Viel zu viel Lärm.

Schläge aus dem Zaun. Schmerzhaft. Erschreckend.

Angst. Wollte fliehen. Wollte zurück. Nach Hause.

Ja, da habe ich viel Sehnsucht nach meinem Stall gehabt.

 

Aber du hattest den freien Himmel über dir,

die große, grüne Wiese unter dir,

warf ich ein.

 

Nein, nein, ich musste das alles ja mit den anderen teilen!

Dann ist es nicht mehr schön.

Dann hat man ja keine Ruhe.

Immer Gedrängel. Angestoßenwerden.

 

(Ich hatte meine Erinnerung an die Autoscooter auf der Kirmes,

die immer aneinander stießen, vor Augen,

was ich als Kind sehr beängstigend fand.

Ich zeigte Skippy dieses innere Bild.)

Ungefähr so? fragte ich.

 

Ja, genauso. Schrecklich.

Man weiß nie, wann was passiert.

Auf einmal rennen alle los, wenn man gerade mal

ein ruhiges Plätzchen gefunden hat,

und rempeln einen an,

erklärte Skippy aufgeregt.

 

Wie war das denn, wenn ihr dann endlich zurückkommen durftet

in euren eigenen Stall, auf eure eigene Wiese?

 

Das war wie Fliegen! Frei sein!

Das Schaf schien innerlich zu jubeln.

 

Skippy, nun würde ich gern von dir wissen:

Wie ist wohl deine Beziehung zu Gitano,

deinem Nachbarn hier im Stall?

 

Er ist bestimmend, beherrschend!

Ja gut, er gibt mir auch Sicherheit. Sehr viel sogar.

Er ist wie ein Schutzwall.

Mir kann hier nichts passieren.

Und ich bin nicht einsam.

Nur manchmal fühle ich mich selbst zu wenig,

dann weiß ich nicht, welche Gefühle meine sind

und welche die von Gitano.

Trotzdem bin ich zufrieden.

Ich will mich nicht beklagen.

Es ist gut hier im schattigen Stall.

 

Noch etwas anderes interessiert mich, Skippy,

wie ist das, wenn du geschoren wirst?

 

Oh, das ist aufregend!

Bin zuerst zwar immer sehr nervös,

wenn was Ungewöhnliches passiert.

Aber danach ist es ein gutes Gefühl:

Etwas wie gleichmäßiges Streicheln, nur fester, rhythmisch.

Das mag ich sehr.

Danach fühle ich mich seltsam,

denn ich spüre viel mehr die Temperatur,

die Luft, den Wind an meinem Körper.

Das macht mich zuerst etwas ängstlich,

bis ich mich daran gewöhnt habe.

Dann ist es schön.

 

Ich verabschiedete mich freundlich von Skippy

und bedankte mich für das Gespräch.

 

 

                                               © Ursula Sewing