GESPRÄCHE MIT EINER TRAUERWEIDE

Foto: Ursula Sewing

 

 

GESPRÄCHE MIT EINER TRAUERWEIDE (1)

 

 

Um der Trauerweide zu begegnen,

ging ich den leichten Hügel hinauf.

Ihre Umrisse sah ich golden schimmernd.

Darf ich dich kennen lernen? fragte ich sie

und bot ihr helle Energien

aus meinen Handflächen

als Geschenk.

Sie sagte, sie warte schon lange.

 

Ich fühlte ihre Aura, mich umhüllend,

warm und beschützend.

und zärtlich zugleich,

zuneigend auf bedingungslose Art,

nicht wertend.

Liebend, was sich ihr anvertraut.

 

Die Weide ließ mich in ihr Wesen ein,

so dass es war, als sei ich sie:

 

Energien durchströmen mich.

Ich stehe.

Ich gewähre.

Ich bin.

Ich fühle meine Verbundenheit

mit dem Zentrum der Erde.

Meine Wurzeln sind wie Fühler

ins Erdinnere.

Der Erde gegenüber fühle ich mich klein,

und dennoch von ihr wahrgenommen,

ernst genommen.

Ich bin Teil der Erde.

 

Ich bin ein Baum

mit einer besonderen Kraft

und der Weisheit vieler alter Bäume

aus Jahrtausenden.

 

Meine Aufgabe ist Wandlung,

Altes umzuwandeln in Neues

oder in etwas, aus dem Neues werden kann,

unsauberes Wasser im Boden umzuwandeln

in sauberes,

unbekömmliche Energien um euch und mich herum

umzuwandeln in

helle, frische, freundliche Energie.

 

Links von mir, dort, wohin meine Äste zeigen,

befindet sich eine Wasserkreuzung,

eine ideale Stelle für Energieumwandlung.

Ich sammle Energien, ich transformiere sie

und gebe sie ab.

 

Kannst du mir etwas über die Menschen

in deiner Nähe sagen?

fragte ich die Weide.

Das äußere Erscheinungsbild der Natur

ist den Menschen hier wichtiger

als unser Inneres.

Sie gebrauchen die Natur, was in Ordnung ist,

aber sie haben keinen Zugang

zu unserem Bewusstsein.

Sie sehen unseren Nutzen, unsere Schönheit,

und finden Gefallen daran,

aber sie nehmen mich

und die anderen pflanzlichen Lebewesen

nicht wahr als Wesen, die sie achten sollten.

Sie nehmen uns nicht in unserer wahren Größe,

unserem vieldimensionalen Umfang wahr.

 

Ich stehe hier als Baum, als Weide,

aber ich fühle die Verbundenheit mit allem.

Wie feine Nervenbahnen stelle dir die Energien vor

zwischen mir und den Feldern um mich herum,

den Bäumen in meiner Nähe,

den Blumen, dem Gras, den wild lebenden Tieren,

den Menschen und sogar den Gebäuden.

Es sieht nur so aus,

als seien wir getrennt voneinander.

Du kannst dir aber vorstellen,

dass sich zwischen allen in dieser Umgebung

etwas wie Telefonleitungen befinden,

über die wir kommunizieren.

 

Spüre die Größe

unserer miteinander verbundenen Energien.

Wenn du jeden Baum, jede Pflanze einzeln siehst,

scheinen sie klein,

vielleicht unbedeutend,

aber wenn du uns alle

in unserer Verbundenheit betrachtest,

erhältst du ein immer größeres Bild,

ein immer größeres Bewusstsein vom Ganzen.

Du spürst dann, dass wir alle zusammen

wie ein Gewebe sind:

Wenn du an einer Stelle des Gewebes ziehst,

bewegt sich das Ganze mit, verändert sich.  

 

                                       © Ursula Sewing

 

 

Meine Textstelen "Gespräche mit einer Trauerweide" in Bochum-Stiepel 2 010