GESTERN STARB MEINE WEIDE. (4)

 

 

Gestern starb meine Weide.

Sie wurde gefällt.

Noch einmal wollte ich mit ihr reden.

Bist du in irgendeiner Form noch da? fragte ich.

 

Ja, ich bin noch in deiner Nähe.

In der Nähe des Ortes, an dem ich als Baum stand.

Meine Konturen sind energetisch noch hier.

Nur langsam wird meine Energie herausgezogen

aus diesem Gestaltfeld.

Noch kannst du sie spüren an dieser Stelle.

 

Ich wollte erfahren, wie es war, als die Weide sterben sollte.

 

Innerhalb des Baumes spüre ich:

Ja, ich hatte Angst, als die Säge ansetzte.

Ich hatte Angst, was nun geschehen würde.

Aber ich nahm es hin.

Der Baum, der ich war, kippte.

Und ich sah: Mein Licht blieb stehen.

Mein Bewusstsein.

Mein Bewusstsein der Verbundenheit

mit allem.

 

Es ist wahr:

Ich hatte eine große Regenerationsfähigkeit.

Ich hätte gern noch weiter gelebt,

und ich hätte es gekonnt.

Andererseits, -

das Sterben eines Lebewesens ist nicht anders

als das Geborenwerden eines anderen.

Wir sind in stetem Wandel begriffen.

Auch ich.

Etwas entsteht, wächst, vergeht in dem einen Sein

und wird in ein anderes geboren.

 

Es musste sein,

sagte die Weide, als wollte sie mich trösten.

Mein Schicksal hatte sich erfüllt, -

jedenfalls an diesem Ort.

 

Manchmal ist eine Zeit reif.

Wandlung ist notwendig, Wandlung ist gut.

 

                                 © Ursula Sewing


 

 

Foto: Ursula Sewing

 

 

 

Fortsetzung in: Ich bin nicht tot, sagte die Weide