GESPRÄCHE MIT EINER TRAUERWEIDE
GESPRÄCHE MIT EINER TRAUERWEIDE (1)
Um der Trauerweide zu begegnen,
ging ich den leichten Hügel hinauf.
Ihre Umrisse sah ich golden schimmernd.
Darf ich dich kennen lernen? fragte ich sie
und bot ihr helle Energien
aus meinen Handflächen
als Geschenk.
Sie sagte, sie warte schon lange.
Ich fühlte ihre Aura, mich umhüllend,
warm und beschützend.
und zärtlich zugleich,
zuneigend auf bedingungslose Art,
nicht wertend.
Liebend, was sich ihr anvertraut.
Die Weide ließ mich in ihr Wesen ein,
so dass es war, als sei ich sie:
Energien durchströmen mich.
Ich stehe.
Ich gewähre.
Ich bin.
Ich fühle meine Verbundenheit
mit dem Zentrum der Erde.
Meine Wurzeln sind wie Fühler
ins Erdinnere.
Der Erde gegenüber fühle ich mich klein,
und dennoch von ihr wahrgenommen,
ernst genommen.
Ich bin Teil der Erde.
Ich bin ein Baum
mit einer besonderen Kraft
und der Weisheit vieler alter Bäume
aus Jahrtausenden.
Meine Aufgabe ist Wandlung,
Altes umzuwandeln in Neues
oder in etwas, aus dem Neues werden kann,
unsauberes Wasser im Boden umzuwandeln
in sauberes,
unbekömmliche Energien um euch und mich herum
umzuwandeln in
helle, frische, freundliche Energie.
Links von mir, dort, wohin meine Äste zeigen,
befindet sich eine Wasserkreuzung,
eine ideale Stelle für Energieumwandlung.
Ich sammle Energien, ich transformiere sie
und gebe sie ab.
Kannst du mir etwas über die Menschen
in deiner Nähe sagen?
fragte ich die Weide.
Das äußere Erscheinungsbild der Natur
ist den Menschen hier wichtiger
als unser Inneres.
Sie gebrauchen die Natur, was in Ordnung ist,
aber sie haben keinen Zugang
zu unserem Bewusstsein.
Sie sehen unseren Nutzen, unsere Schönheit,
und finden Gefallen daran,
aber sie nehmen mich
und die anderen pflanzlichen Lebewesen
nicht wahr als Wesen, die sie achten sollten.
Sie nehmen uns nicht in unserer wahren Größe,
unserem vieldimensionalen Umfang wahr.
Ich stehe hier als Baum, als Weide,
aber ich fühle die Verbundenheit mit allem.
Wie feine Nervenbahnen stelle dir die Energien vor
zwischen mir und den Feldern um mich herum,
den Bäumen in meiner Nähe,
den Blumen, dem Gras, den wild lebenden Tieren,
den Menschen und sogar den Gebäuden.
Es sieht nur so aus,
als seien wir getrennt voneinander.
Du kannst dir aber vorstellen,
dass sich zwischen allen in dieser Umgebung
etwas wie Telefonleitungen befinden,
über die wir kommunizieren.
Spüre die Größe
unserer miteinander verbundenen Energien.
Wenn du jeden Baum, jede Pflanze einzeln siehst,
scheinen sie klein,
vielleicht unbedeutend,
aber wenn du uns alle
in unserer Verbundenheit betrachtest,
erhältst du ein immer größeres Bild,
ein immer größeres Bewusstsein vom Ganzen.
Du spürst dann, dass wir alle zusammen
wie ein Gewebe sind:
Wenn du an einer Stelle des Gewebes ziehst,
bewegt sich das Ganze mit, verändert sich.
© Ursula Sewing