GESPRÄCH MIT DER KATZE LILLI ÜBER IHR MUTTERSEIN

 

 

 

Diesmal wollte ich mit der Katze Lilli sprechen, die immer draußen gelebt hatte, nun aber seit kurzer Zeit mit ihren vier Kindern bei Guido wohnte.

 

Hallo Lilli, wir kennen uns schon länger. Magst du ein bisschen mit mir reden? erkundigte ich mich. Über dich und darüber, dass du jetzt Mutter bist.

 

Guido hat mich aufgenommen, und das tut gut, war ihre Antwort.

Meine Kinder sind hier in Sicherheit.

Ich lebe mein eigenes Leben.

Ich kann tun, was ich will.

 

Ja, sagte ich. Es ist sicher eine schöne Zeit.

Und ich sehe, du bist eine sehr gute Katzenmutter.

 

Manchmal ist es auch anstrengend, meinte sie. Die Kleinen sind sehr neugierig. Ich muss immer aufpassen.

 

Ja. Und das machst du supergut, versicherte ich ihr.

Was ist dir besonders wichtig am Muttersein?

 

Dieses Leben um mich, was mich braucht.

Ja, das Gebrauchtwerden.

Ich sorge sehr gerne für andere, und diese Kleinen brauchen mich ganz besonders.

Ich bin auch stolz darauf, sagte die Katze, dass ich so gut für meine Kinder sorgen kann.

Ich habe geguckt und mich gefragt, was ist jetzt wohl zu tun?

Und plötzlich wusste ich es!

Alle meine Kinder brauchen auf verschiedene Weise meine Fürsorge und meine Nähe. Sie sind ganz verschieden: zärtlich oder fordernd, neugierig oder auch ruppig. Das ist alles gleich gut.

Wenn sie schlafen, ist es einfach ein schönes Gefühl, von diesen warmen Wollknäuelchen eingerahmt zu sein und sie zu fühlen, ihre Bewegungen zu spüren, ihre Laute zu hören. Und dass sie mich kennen und bei mir sein wollen, gefällt mir sehr.

 

Ja, du bist eine erwachsene Katze geworden, seit du die Kinder hast, sagte ich. Ruhiger, ernster wirkst du. Aber auch ausgeglichener.

 

Dann erklärte ich ihr: Irgendwann müssen die Kinder aus dem Haus gehen. Guido kann nicht alle behalten, wenn sie erst einmal größer sind.

 

Wohin gehen sie? erkundigte sich Lilli.

 

Guido wird sie bei anderen Menschen unterbringen. Er sucht Menschen aus, von denen er glaubt, dass sie sich sehr gut um die Kätzchen kümmern.

 

Ja, was soll ich dazu sagen? sagte Lilli. Ich werde vielleicht traurig sein. Aber ich habe dann auch wieder mehr Zeit für mich.

Ich kann mich wieder putzen, ohne aufpassen zu müssen, herumlaufen, wo ich will, meine alten Freunde besuchen.

Das wäre schön, seufzte die Katze.

 

Das nahm ich zum Anlass, Lilli über ein vielleicht kommendes Problem zu befragen:

Guido überlegt, ob er dich bei sich zu Hause behalten soll. Aber dann bekommst du deine früheren Freunde nicht mehr zu sehen. Was meinst du dazu?

 

Lilli fragte überrascht:

Oh. Ob er mich nicht bei sich behalten kann, - denn ich fühle mich sehr sicher und frei bei ihm -, und mich trotzdem zwischendurch einen Spaziergang machen lassen kann?

 

Ja, das wäre schön, sagte ich. Aber das geht vielleicht wegen des Nachbarn nebenan nicht. Guido sagt, der sei ein Katzenhasser, und deshalb wäre es draußen gefährlich für dich.

 

Das ist nicht gut.

Dann hätte ich zwar alles, was ich brauche, aber keine Freunde.

Wie könnte es denn sonst gehen, wenn ich nicht den ganzen Tag in Guidos Haus bleiben will? fragte die Katze.

 

Wir könnten dich dorthin zurückbringen, wo er dich eingefangen hat. Dann hast du aber kein Haus, in dem du bleiben kannst. Wir würden dich füttern und streicheln, aber sonst ginge nichts, erklärte ich ihr.

 

Dann habe ich Auslauf und Freunde, aber kein Zuhause, wo ich mich sicher fühlen kann, bemerkte Lilli.

Also, ich würde schon sehr gern in Guidos Haus wohnen bleiben. Und ab und zu die alten Wege wieder gehen, die alten Freunde wiedersehen, - das wäre schön.

 

Ich werde es Guido mitteilen, versprach ich.

Es scheint mir jedenfalls, dass du eher eine „Hauskatze“ bist als eine „Draußenkatze“, ja? fragte ich lächelnd.

 

Mehr „Hauskatze“, aber auch ein bisschen „Draußenkatze“, erwiderte sie sanft.

Aber vorläufig sind ja noch meine Kinder bei mir, die mich brauchen.

Und das ist eine sehr besondere Erfahrung.

 

Liebe Lilli, danke für unser Gespräch. Und bis bald.

 

 

                                 © Ursula Sewing