GESPRÄCH MIT DER WEISSEN ESELIN HOLLY
Holly, darf ich mit dir reden?
fragte ich die weiße Eselin
auf Andreas Hof.
Dein Schicksal interessiert mich,
weil ich glaube,
du hast viel Schweres durchgemacht,
doch auch dein Glück gefunden.
Ich habe gehört, dass du lange
ganz eng eingesperrt warst.
Ja, das war furchtbar.
Es war gar kein richtiges Leben.
Mehr Nicht-Leben als Leben.
Als wenn man kaum atmen könnte.
Nur aushalten, warten,
dass irgend etwas Gutes kommt,
dass Rettung kommt.
Nur in meinen Träumen lebte ich.
Träume von Freiheit und Glück.
Sehnsucht nach Sonne, Wärme,
Zusammengehörigkeit, Trost, Glücklichsein
und Jubel über das Leben.
Und das alles kam dann?
Ja. Als die Menschen hier
mich bei sich aufnahmen,
als ich ihre Liebe und Fürsorge fühlte,
als ich spürte, dass hier alle zusammengehören
wie eine große Familie, -
da kam das Aufatmen.
Ich dachte an das Märchen vom Froschkönig,
in dem zum Schluss die dicken Eisenbänder,
die um die Brust des Dieners gespannt waren,
zerspringen und abfallen
Ich zeigte Holly dieses innere Bild.
Ja, antwortete sie, das trifft es sehr genau.
Vorsichtig setzte ich meine Hufe auf,
um die Räume des weiten Stalls
und das Feld draußen zu erkunden,
und immer freier fühlte ich mich, als ich spürte,
es ist von Dauer.
Ich darf frei und glücklich sein.
Ich werde ernst genommen und geliebt.
Ich darf dazugehören.
Und dann das Schönste:
Ich wusste, dass ein Fohlen in mir heranwuchs.
Die Verbundenheit an sich!
Das Größte, was ich mir überhaupt
hätte vorstellen können.
Überwältigend.
Das Glück und die Hoffnung
auf weiteres Glück.
Liebe Holly, wie war es dann für dich,
als dein kleines weißes Eselchen Mennix da war?
Es war die höchste Glückseligkeit.
Weißt du, es war nicht nur, weil ich Mutter wurde,
was ja an sich schon wunderbar, phantastisch,
erhebend ist.
Nein, ich spürte auch sofort, dass mit Mennix
etwas Besonderes war.
Wir waren total miteinander verbunden,
sozusagen ein Herz und ein Fühlen.
So erfuhr ich durch Mennix selbst,
dass er zu mir gekommen war, um mich über das,
was ich vorher erlebt hatte, hinwegzutrösten.
Er war ein Geschenk.
Und er war nicht nur für mich ein Geschenk,
sondern ebenso für alle Tiere hier
und für die Menschen, die immer für uns da sind.
Mennix war der weiseste Esel,
den man sich vorstellen kann,
und das von Anfang an.
Er war ein Engel, - er war ein höheres Wesen
in Eselgestalt.
Ausgestattet mit Wissen, Weisheit, Liebe und Güte.
Er brachte ganz viel Glück hierher.
Als er starb, war dies ein Riesenverlust für mich,
für die Menschen und Tiere hier.
Und dennoch: Wir sollten nicht traurig sein,
sondern nur dankbar und froh,
dass er zu uns gekommen war.
Mein Traum ist erfüllt geblieben,
nämlich der nach Verbundenheit und Liebe.
Ich bin nach wie vor mit Mennix verbunden.
Und er ist mit allen hier verbunden,
obwohl er sich bereits auf neue Aufgaben vorbereitet,
wie ich von ihm weiß.
Er ist wie ein schützender Engel
voller Energien der Liebe und des Lachens,
die er uns schickt.
Er war das Beste, was mir passieren konnte,
und ich weiß, ich werde ihn nicht verlieren.
Immer, wenn ich ihn spüre, bin ich
übersprudelnd glücklich.
Liebe Holly, ich habe mir sehr gewünscht,
dieses Gespräch mit dir zu führen,
und ich bedanke mich sehr dafür.
Ich danke dir auch.
Es war ein Herzenswunsch von mir,
dies alles so mitzuteilen.
© Ursula Sewing