KATER FLÖTE ERZÄHLT AUS SEINEM LEBEN
UND ÜBER DEN WERT VON RUHE
Hallo Kater Flöte, ich würde gern ein wenig mit dir reden.
Geht es gerade? fragte ich einen Kater, den ich noch nicht kannte. Seine Menschin Stefanie hatte mich darum gebeten.
Ich liege eingerollt auf meinem Kissen,
sagte der Kater etwas schläfrig.
Ich hätte also Zeit.
Ich habe hier ein schönes Foto von dir,
erklärte ich ihm.
Das liegt vor mir, während ich mit dir spreche.
Du hast sehr schöne Augen,
so einen ernsthaften Blick.
Ja, findest du? Ich weiß das ja nicht.
Leider habe ich kein Foto von dir.
Aber ich habe einen ahnenden Eindruck.
Ich fühle, dass du es gut mit mir meinst.
Das ist wahr, und es freut mich,
dass du es fühlen kannst, entgegnete ich.
Lieber Flöte, magst du mir einmal beschreiben,
wie du dich in dir und in deiner Umgebung fühlst?
Ich fühle mich weich und flexibel in mir,
wie ohne Knochen, ganz leicht.
Das weiche Kissen gefällt mir gut.
Im Moment kümmert sich keiner um mich,
aber eigentlich ist mir das auch recht.
Von weitem das Familienleben
mit den anderen Katzen
und den Menschen zu betrachten,
ohne mitmachen zu müssen,
ist auch schön.
Draußen ist es kälter geworden, fuhr er fort.
Hier drinnen ist es warm und angenehm.
Keine Lust auf Regen und Wind.
Ich putze meine Pfoten sehr ausgiebig.
Das ist zwar gut für die Sauberkeit,
aber es ist auch eine angenehme Massage.
Die Pfoten werden gut durchblutet
und dann der ganze Körper.
Meine Zunge ist ja schön rau und deshalb
eine freundliche Massagebürste.
Gibt es eine Katze, die du besonders magst?
fragte ich ihn.
Ja, die kleine, etwas dunkler graue.
Ich verstehe sie ohne Worte.
Sie kommt manchmal zu mir
und sieht mir in die Augen.
Dann weiß ich genau, was sie mir sagen
oder erzählen will.
Sie ist sehr feinsinnig, sehr zartfühlend,
von ihr habe ich keine plötzliche Bewegung,
kein Anstoßen zur falschen Zeit zu befürchten.
Wir sind innerlich auf einer Ebene.
Wir müssen nicht dauernd schmusen oder balgen,
wie andere Katzen es gerne tun.
Wir sind uns auch so nahe.
Andere beobachten ist schön,
und dabei selbst in Ruhe gelassen werden.
In der Sonne liegen.
Oder wenn wir drei Katzen etwas gemeinsam tun,
was in Ruhe geschehen kann.
Ruhe ist mir sehr wichtig.
Was kannst du mir über Ruhe erzählen?
fragte ich den Kater.
Ruhe ist wie ein Umhang,
der sich um mich breitet
und mir Raum gibt darin.
Ruhe ist notwendig,
um mit anderen mental zu kommunizieren, -
mit den anderen Katzen,
mit meiner Menschin
oder z.B. jetzt mit dir.
Nur in Ruhe bleibt Raum dafür,
die Worte aufzunehmen,
wirken zu lassen und darauf eine gute,
passende Antwort zu finden.
Oder innerlich Bilder entstehen zu lassen,
die atmen und sich bewegen,
und sie sich in innere Worte für das Gegenüber
umformen zu lassen.
Ruhe ist Glück, wenn sie mir gestattet,
draußen den Himmel mit seinem Funkeln
zu betrachten.
Ruhe ist Gefahrlosigkeit,
Frieden und Freiheit.
Manchmal gefällt es mir, fuhr der Kater fort,
im Laufe des Tages neben meiner Menschin
auf dem Sofa oder auch auf ihrem Schoß
zu sitzen und gestreichelt zu werden,
Nähe zu fühlen,
ihre Gedanken zu erkennen,
ihre Gefühle zu erspüren.
Menschen glauben oft, dass wir Katzen
nur gestreichelt werden wollen,
weil das ein schönes Gefühl für den Körper ist.
Das ist es natürlich auch, aber
dabei geschieht so viel mehr.
Ich gerate beim Streicheln
in einen tieferen Bewusstseinszustand,
in dem ich sehr offen und aufnahmefähig bin
und vieles wahrnehme und erfahre –
in völliger Konzentration und Aufmerksamkeit.
Ich halte mich gewöhnlich mehr im Hintergrund
als die anderen Katzen, weil ich mit dem,
was ich an Gefühlen
und inneren Bildern aufnehme,
immer besonders lange und intensiv
beschäftigt bin.
Dann sagte der Kater:
Ich glaube, jetzt möchte ich das Gespräch mit dir beenden, wenn es dir recht ist,
aber du kannst gerne ein anderes Mal wieder
auf diese Weise zu mir kommen.
Ich fühle mich geehrt durch deinen Besuch.
Da bedankte ich mich bei dem Kater
für alles, was ich über ihn erfahren durfte,
und wünschte ihm alles Gute.
© Ursula Sewing