MEINE BEGEGNUNG MIT MERLIN

 

 

In meinem samtenen moosgrünen Kleid

ging ich über nasse braune Blätter

zwischen abgebrochenen Ästen und Zweigen

auf dem Boden des Waldes, -

schwarzstämmige, kahle Bäume

mit freundlicher Energie

am Weg.

Ich war gegangen,

um dem Bewusstsein dieses Teils der Erde

zu begegnen.

 

Auf dem Höhenweg setzte ich mich ins hohe Gras.

In meiner Nähe ahnte ich „das kleine Volk“,

es war etwas Tanzendes,

Zartes um mich herum.

Auch nahm ich Getuschel

und in meinem Rücken

ein Gefühl von Neugier wahr.

 

Dann hörte ich Musik,

bestehend aus fernen Stimmen,

die flüsterten, raunten

wie leise Echos von sanften,

wie verwehten Tönen von Windharfen

und von einem dunklen Summen.

Die Musik entfernte sich

und brach immer wieder herein

wie durch den Wind herangetragene

Klangfetzen,

die wehten über Wiesen und Hügel,

Mulden und Felder.

Ein dunkler Ton der Erde

ging über das Land.

 

Ich suchte eine Erdhöhle

und bat die Erde unter mir,

ihr wahres Wesen erleben zu dürfen.

Sie zeigte mir einen Weg hinunter

und ließ mich in ihr Bewusstsein ein.

Nun fühlte ich wie sie:

 

Ich liege.

Ich schlafe.

Ich wache dennoch.

Ich breite mich aus.

Ich bin die Erde, -

der Teil der Erde, der zu diesem Ort gehört.

Der Teil, der ursprünglich weit,

groß und unbegrenzt war,

Teil der ganzen Erde.

Damals bewohnten mich nur

die sanften, tanzenden, leichten Wesen.

Wir waren eins, obwohl verschieden.

Lange war hier für Menschen

nur Durchgangsland.

Mein Bewusstsein war unter der Oberfläche

wie unter einer Decke liegend.

 

Ich bat die Erde,

ob ich einmal feinstoffliche Wesen, die hier leben,

kennen lernen dürfte.

 

Da sah ich einen Raum,

der wie ein Tempel war,

und klare grüne und leuchtend rote Energien

füllten ihn.

In der Mitte erhob sich, wie frisch ausgehoben,

ein ringförmiger Erdwall,

umrandet von Lichtern in allen Größen.

Ich sollte in die Mitte des Erdwalls steigen,

es war dunkel darin,

und es ging tief hinunter.

Dann erkannte ich schwach leuchtende,

rote, spiralförmige Energien.

Und ich wusste:

Es erwartet mich jemand.

 

Zarte goldene Ringe erschienen in der Dunkelheit,

durch die ich weiter in die Tiefe sank.

Endlich, ganz unten, erwartete mich Merlin,

in ein Gewand mit Farben

wie dunkles, vielfarbiges Glas gehüllt.

Er gab mir zu verstehen, ihm zu folgen,

und führte mich noch tiefer,

auf einer leicht erhellten Wendeltreppe,

bis zu einem Wasser, einer Quelle,

die springbrunnenartig aus dem Boden quoll.

Merlin und ich saßen daneben

einander gegenüber,

während das Wasser als leichtes, klares Rinnsal

weiterfloss.

 

Sieh das Wasser an, das aus der Erde sprudelt, sagte Merlin.

Es ist ganz zentriert, es ist voll reinen Lichts,

es ist das reine lebendige Wasser des Lebens,

das alles in seiner Umgebung

nährt, fruchtbar macht und heilt.

 

Das Wasser fließt unterirdisch

tief in der Erde

unter dem Ort, an dem du vorhin saßest.

Es ist ein Wasser,

das mit der Erkenntnis und Weisheit der Erde

ausgestattet ist.

Es hält die Erde an diesem Platz instand,

damit sie immer neues Leben aufnehmen

und ernähren kann.

Dort, wo es fließt, bringt es in die Erde

seine kristallklare, regenbogenfarbige

Energie.

 

Nun haben aber die Menschen die Bedeutung

dieses Wassers,

das die Weisheit der Erde selber trägt,

vergessen.

Statt seine Kraft und Fähigkeiten zu empfangen,

verschließen sie es, wo sie können,

unter Beton und in Rohren.

So wird es an vielen Stellen aufgehalten,

gebremst, gestaut, -

und kann seine guten Wirkungen

für Menschen, Tiere und Pflanzen

nur bedingt entfalten.

 

Dort, wo Wasser frei ist,

wo es sprudeln und singen kann,

macht es auch die umliegenden Energien frei,

macht es das Land frei,

macht es die Menschen frei

und erfüllt sie mit Freude und Leichtigkeit.

Der Fluss des Wassers

beeinflusst,

wie die übrigen Energien,

die der Pflanzen, die des Bodens,

die der Gebäude, die der Menschen.

Lasst das Wasser fließen

und seine Kräfte sich sinnvoll

fruchtbringend

entfalten.

Gebt ihm, wo immer es möglich ist, Raum.

 

 

Ich bedankte mich und sagte:

- Es ist sicher kein Zufall,

dass ich gerade dir, Merlin,

hier begegne.

Warum bist gerade du gekommen,

um mich darüber zu unterrichten?

 

Er antwortete:

Es liegt an meiner Beziehung zur Erde

und zu den der Erde zugehörigen Wesen,

den Erdwesen und Pflanzenwesen.

Ich wusste als Mensch sehr gut Bescheid

über die vielen verschiedenen Kräfte der Pflanzen,

ich wusste ihre Heilkräfte zu nutzen.

Jetzt bin ich Beschützer und Sprecher

der Pflanzenwesen auf der Erde.

 

Ich galt als Zauberer,

aber das bedeutete nur,

dass ich über Dinge Bescheid wusste,

die die meisten Menschen nicht kannten,

dass ich mit Kräften und Heilkräften vertraut war,

die für alle vorhanden sind,

aber die die wenigsten nutzen

aus Angst vor dem nicht Fassbaren,

aus Angst vor feinstofflichen Energien allgemein.

Dies ist ein unendlicher Bereich,

den ihr noch entdecken könnt,

wenn ihr die Angst loslasst und euch stattdessen

der Liebe öffnet,

der Liebe zu allem, was um euch,

über euch und unter euch ist.

 

Merlin begleitete mich nach oben.

Ich verabschiedete mich von ihm mit dem Herzgruß.

Der Ringwall schloss sich innen.

 

Dann spürte ich noch einmal in die Erde hinein:

Sie kam mir vor wie ein großes, weises Wesen

mit einem besonderen Klang.

Einem dunklen

und immer auch sanften Klang.

 

                                            © Ursula Sewing