DIE FABRIK DER KLINGENDEN TEPPICHE

 

 

Einmal kam ich auf eine hohe helle Ebene,

wo ein schwarzer Kubus, der mich seltsam anzog,

einen großen Teil der Sicht einnahm.

Neugierig ging ich hinein und schwebte

wie in einer kurzen Bewusstlosigkeit

durch das Dunkel nach unten.

 

Nun befand ich mich in einem fabrikartigen Raum.

Hohe Presslufthämmer fielen lautlos

in einem gemeinsamen Rhythmus auf etwas nieder

und hoben sich wieder.

Ich sah, dass sie etwas Goldenes pressten und ebneten,

es immer dünner werden ließen wie Papier.

Da erinnerte ich mich an die goldenen Lisenen

und das glühende Gold und Rot

der zwischen ihnen hängenden Wandteppiche

in den Räumen von Almati.

 

Ich sah mich suchend um.

Da kam ein Wesen, das ich kannte.

in edel gemustertem vielfarbigem Mantel,

in dem das Rot erglühte,

und einem vogelschnabelähnlichen,

farbig-goldenen Helm auf dem Kopf

auf mich zu,

Es war Almati, dem ich schon einmal begegnet war.

Er erklärte mir:

Diese Maschinen helfen uns, unsere Projekte zu fertigen.

Sie sind Ausführende, wir gestalten.

Tatsächlich machen diese Maschinen

aus Stücken von Gold

die feinsten Blätter.

Wie du siehst, wird gerade ein kreisrundes Goldblatt hergestellt.

 

Dann führte Almati mich in den nächsten Raum.

Dieser war angefüllt mit Stoffen

in den verschiedensten edlen Farben.

Hier war ein Summen,

das aus den Stoffen zu kommen schien.

Viele Wesen waren mit ihnen beschäftigt.

Ich erfuhr, dass dies der Raum sei,

in dem die Stoffe und das Gold verarbeitet werden,

zusammengefügt, geknotet, gewebt.

 

Plötzlich hörte ich die Worte:

 

zu hoffen

zu lieben

zu vergeben.

 

Ich wusste nicht, wer sie sprach,

und sah mich suchend um.

Sie schienen aus den Materialien zu tönen,

die gerade verarbeitet wurden.

 

Almati führte mich eine Wendeltreppe hinunter

zum nächsten Raum.

Dort saßen Wesen im Kreis,

die aus Stoffen und Gold, dünn wie Seidenpapier,

viele Meter lange Bildteppiche zusammenfügten.

Inmitten der Stoffe, die sie verwebten,

leuchtete ein verwirrend helles Licht,

weiß mit etwas Blau darin.

Ich bat darum, dessen Bedeutung erklärt zu bekommen.

Ein junger Mann namens Tala war bereit dazu:

Wir weben das Licht bewusst hinein.

Jeder, der es sieht, wird die Bereitschaft in sich spüren:

 

zu hoffen

zu lieben

zu vergeben.

 

Es sind das Licht und der Klang des Lichtes,

die dies bewirken.

Höre, lausche.

Ich hörte sehr hohe, klare Töne

wie zartes, leises Klirren und Klingen.

 

Tala fuhr fort:

Ich webe, ich knüpfe, ich atme hinein.

Ich tue alles mit Achtsamkeit,

ich gehe ganz in dieser Arbeit auf.

Jeder von uns fertigt nur einen Teil des Teppichs,

aber jeder Teil ist wie ein Hologramm,

das die Persönlichkeit, die Gefühle, die Absichten

jedes einzelnen enthält, der daran arbeitet.

Das Licht, das du siehst, verbindet alle Teile,

fügt alles zu einem Ganzen,

zu einem Kunstwerk, wie jene,

die du in dem langen Gang gesehen hast.

Bewusst oder unbewusst nimmst du die Botschaft auf:

 

zu hoffen

zu lieben

zu vergeben.

 

Dann führte Almati mich in den nächsten Raum.

Dort stand eine Art Kessel, groß wie ein Brunnen.

Näher tretend, sah ich, dass von der Öffnung

bis tief hinunter in den darunter liegenden Raum

ein Teppich hing

in all seinen prächtigen Farben.

Ich sah das Licht das Werk durchfluten.

Dabei wurden die Farben der Stoffe

immer klarer und strahlender.

Ich sah, dass das bläulichweiße Licht den Bildteppich

wie mit einem farbigen Energieband durchzog.

 

Almati erklärte mir:

Es ist das Licht, das du

in diesem goldenen Schrein siehst.

Da führte er mich zu einem verschlossenen

goldenen Kasten,

der leuchtete sehr.

Er stand in der Mitte eines Kreises.

Almati öffnete ihn von oben,

und ein goldenes Feuer brannte darin,

dessen Mitte bläulichweiß nach außen strahlte.

Almati erklärte mir:

Dieses Feuer reinigt und durchdringt jede Zelle,

jedes Atom,

so dass es alles zum Leuchten und Klingen bringt.

Es war, als spräche das Licht zu mir:

 

Ich wirke und webe,

ich bringe das Werk zum Singen, zum Leben,

ich gebe ihm seinen Geist.

Alles, was ich berühre, heilt.

 

Nun führte mich Almati eine Wendeltreppe hinauf,

und wieder waren wir in dem breiten, hohen Gang,

den ich schon kannte, mit den goldenen Lisenen

und den dazwischen hängenden farbenglühenden Bildteppichen.

Gerade wurde ein neuer aufgehängt.

Die Wesen, die dies taten, standen dabei

auf sehr hohen Leitern.

Almati sagte:

Geh ganz nah heran und sieh, fühle und lausche.

Ich sah in der Mitte des Teppichs eine große runde goldene Scheibe,

darüber und darunter Muster in verschiedenen Farben,

mit Gold durchwebt.

Es summte und sang in hellen, glasklaren Tönen.

Der Klang hüllte mich ein

in ein Gefühl von Geborgenheit,

von Vertrauen und Verbundenheit.

Er gab eine Sicherheit des Glaubens

in Schönheit, Licht, Heilung und Liebe.

 

Dann bedankte ich mich bei Almati.

Dankte auch Tala von weitem.

Sah noch einmal die Wesen am goldenen Tisch

und grüßte sie.

Almati sagte zum Abschied:

Komm ruhig immer her, wenn du es möchtest.

Geh durch den Gang der singenden Bilder

und tanke Kraft,

 

zu hoffen

zu lieben

zu vergeben.

 

Er berührte meine Fingerspitzen.

Ich tat es ihm gleich.

 

                                           © Ursula Sewing