FORMEN UND LÖSEN
Dann begegnete ich Mindu, dem Königlichen,
in seinem weißen, in Falten herab
fallenden Gewand
und den langen weißen Haaren,
der aus einem Kreis arbeitender Gestalten
heraus trat,
mich über den blauen Wendelgang hinunter
zu einem kleinen Raum führte,
zu einem Gespräch in Ruhe,
wo ich ihn fragen durfte
nach seinem
und seiner Freunde Leben.
Er sagte zu mir:
Wir formen und lösen.
Wir erschaffen Form,
und sind uns zugleich
ihrer Endlichkeit bewusst.
Formen sind unbeständig,
für den Augenblick gemacht,
nicht für die Ewigkeit.
Formen sind Experimente,
Versuche zu erschaffen,
Gleichnis für Gedankenformen.
Du kannst diese oder jene Formen hervorbringen,
du kannst sie auflösen und neue erschaffen
- immer wieder.
Du kannst Formen bauen.
Du kannst Gedanken bauen.
Das Material ist die Basis.
Was zählt ist das Tun,
das Gestalten bis zur vollendeten Form,
die Freude über das Erschaffen und das Geformte
und die Erkenntnisse daraus.
Wir benutzen kein beständiges Material.
Am nächsten Morgen ist alles vergangen,
aufgelöst
wie Wolkenformen im Wind.
Und wir beginnen von vorn.
Es ist nur ein Spiel,
ein Gedankenspiel,
ein Symbol.
Form vergeht und soll vergehen.
Geist bleibt.
Ich dankte Mindu, dem Königlichen,
und nahm seine Sicht der Dinge mit mir.
© Ursula Sewing