VOM TÄGLICHEN LEBEN EINES ZURÜCKGEZOGENEN KATERS

 

 

 

Lieber kleiner Kater, erinnerst du dich an mich? begann ich das Gespräch.

Ich komme zwar nicht mehr oft hierher, aber ich mag dich sehr gern.

Möchtest du mir ein bisschen von deinem Leben erzählen?

(Der Kater war verschlafen, horchte verwirrt.)

 

Mir geht es gut. Es gibt nichts Besonderes. Das Leben geht so dahin, antwortete er.

Oft fühle ich mich einsam und frage mich, wann es besser wird.

Ich freue mich, wenn es wärmer wird. Es wird doch wärmer?

 

Ja, mein kleiner Kater, der Frühling kommt bald. Jeden Tag geht es ein bisschen auf die Wärme zu. Dann brauchst du nicht mehr in das Häuschen unter dem Tisch zu kriechen, meinte ich.

 

Ich fühle mich aber geborgen dort, erklärte er.

Alles ist leiser, und kaum jemand findet mich.

Ich liebe Zurückgezogenheit.

Ich liebe Stille, und dass man mir meine Ruhe lässt.

Und mich ab und zu tröstet.

 

Bist du denn traurig? fragte ich nach.

 

Manchmal schon.

Es gibt keinen guten Freund mehr, der bei mir ist.

Ich betrachte die anderen Katzen von weitem, aber ich gehe nicht zu ihnen.

Ich hätte gern einen Menschen, der immer da ist, und zu dem ich immer kommen kann, und außerdem einen Katerfreund, der mit mir herumtollt und der mich friedlich bei ihm sein lässt.

 

Bist du denn mehr eine Draußenkatze, oder sehnst du dich danach, eine Drinnenkatze zu sein? forschte ich nach.

 

Nur drinnen kenne ich gar nicht.

Aber nur draußen zu sein ist nicht immer schön, antwortete er.

 

Kleiner Kater, was tust du denn, wenn du nicht hier auf der Terrasse bist?

Wo bist du dann? wollte ich wissen.

 

Ich wandere herum.

Ich beobachte die Vögel und die anderen Katzen.

Ich beobachte die Menschen von weitem.

Ich kehre auch schon mal irgendwo ein. Wenn Futter draußen steht, probiere ich schon mal davon. Aber ich bleibe nirgendwo länger.

Ich komme immer wieder zurück.

Ich habe auch schon mal ausprobiert, woanders zu schlafen.

Aber dann bin ich immer auf der Hut. Alle Geräusche lassen mich hochschrecken, weil ich nicht weiß, was sie bedeuten, ob sie Gefahr bedeuten.

So komme ich lieber immer wieder zurück und schlafe in meinem kleinen Haus, was ihr mir hierhin gestellt habt.

Das ist schon gut so. Es ist besser als in der Fremde.

Ein bisschen traurig bin ich eigentlich immer. Das geht gar nicht weg. Bestimmt, bis jemand, ich meine, ein Mensch, ganz zu mir gehört.

Dann hätte ich weniger Angst. Dann wäre ich mehr zu Hause.

Vielleicht bin ich keine Draußen- und keine Drinnenkatze,

vielleicht bin ich eine "Menschenkatze".

Weil ich gern einen Menschen hätte, zu dem ich nach Hause kommen kann, und der mich mal drinnen und mal draußen sein lässt, der mich mein Leben leben lässt und dennoch immer für mich da ist.

Das würde mir Sicherheit geben und ein Gefühl von Zugehörigkeit.

Dann wüsste ich, worauf ich mich freuen könnte, wenn ich von meinen Streifzügen zurückkomme.

 

Ja ich verstehe dich gut, sagte ich.

Lieber kleiner Kater, ich danke dir, dass du mir von dir erzählt hast.  

Alles Gute, bis zum nächsten Mal.  

 

 

                © Ursula Sewing